01. September 2020

Änderungen am Betriebsrentengesetz: Auswirkungen auf den Insolvenzschutz

Der Gesetzgeber hat am 12.6.2020 neben dem Sozialgesetzbuch auch das Betriebsrentengesetz in verschiedenen Punkten angepasst. Insbesondere Leistungen aus einer Pensionskassen-Zusage sind jetzt vom gesetzlichen Insolvenzschutz durch den PSV umfasst. Dazu kommen noch weitere Änderungen im Betriebsrentengesetz.


Gesetzliche Insolvenzsicherung von Pensionskassen-Zusagen
Bislang beinhaltete das deutsche Betriebsrentenrecht keinen Schutz für den Fall, dass eine Pensionskasse aufgrund der Insolvenz des zusagenden Arbeitgebers ihre Leistungen nicht mehr vollständig erbringt. Mit einem entsprechenden Fall hatte sich im vergangenen Jahr der Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Detail auseinandergesetzt. In seinem Urteil vom 19.12.2019 kam das Gericht zu der Auffassung, dass der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) durchaus dafür einzustehen hat, wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen kürzt und der Arbeitgeber aufgrund seiner Insolvenz seiner Einstandspflicht nicht nachkommen kann – auch wenn es hierfür bislang an einer gesetzlichen Regelung mangelte. Darauf hat der deutsche Gesetzgeber reagiert. Im Rahmen des „7. Gesetzes zur Änderung des 4. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ vom 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) wurden Pensionskassen-Zusagen grundsätzlich in die gesetzliche Insolvenzsicherung nach § 7 ff. Betriebsrentengesetz (BetrAVG) aufgenommen.

Ausnahmeregelungen für deregulierte Pensionskassen 
Allerdings werden von der gesetzlichen Insolvenzsicherung ausdrücklich solche Pensionskassen ausgenommen, bei denen aufgrund bestimmter Kriterien auch künftig nicht mit Leistungseinschränkungen bei Insolvenz eines Arbeitgebers zu rechnen ist. Diese Ausnahmeregelungen betreffen Pensionskassen, 

  • a) die ein Mitglied der Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer (Protektor Lebensversicherungs-AG) sind, 
  • b) die in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert sind oder
  • c) die zu den in § 18 Abs 1. BetrAVG genannten Zusatzversorgungskassen gehören, wie etwa die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.

Die neue gesetzliche Insolvenzsicherung entfaltet damit vor allem bei Firmen-Pensionskassen und solchen überbetrieblichen Pensionskassen Wirkung, die nicht als Bestandteil eines Versicherungskonzerns gegründet wurden und im Zuge dessen freiwillig der Sicherungseinrichtung Protektor beigetreten sind.

Beginn des (vollen) Schutzes von Pensionskassen-Zusagen
Tritt die Insolvenz eines Arbeitgebers nach dem 31.12.2021 ein, besteht ein gesetzlicher Insolvenzschutz für entsprechende Pensionskassen-Zusagen im gleichen Umfang wie in den anderen Durchführungswegen der bAV. Für Insolvenzen, die vor dem 1.1.2022 eintreten, gilt eine abweichende Regelung. In solchen Fällen besteht ein Anspruch gegen den PSVaG. In Anlehnung an das eingangs genannte Urteil des EuGHs aber nur dann, wenn die Pensionskasse die vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen einer Kürzung unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt. Leistungen werden in diesen Fällen zudem nur auf Antrag und nicht rückwirkend erbracht.

Kein Schutz ohne entsprechenden Beitrag...
Beauftragt ein Arbeitgeber eine Pensionskasse, die gesetzlich insolvenzsicherungspflichtige Zusagen erteilt, mit der Durchführung seiner bAV, unterliegt er beim PSVaG der Beitragspflicht. Die Beitragsbemessungsgrundlage für den entsprechenden PSVaG-Beitrag bestimmt sich dann bei lebenslangen Leistungen folgendermaßen: 

  • a) Bei unverfallbaren Anwartschaften auf Altersleistungen entspricht sie der Höhe der erreichbaren jährlichen Versorgungsleistung. Soweit ausschließlich Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistungen zugesagt werden, ist die Beitragsbemessungsgrundlage jeweils ein Viertel der erreichbaren jährlichen Versorgungsleistung. 
  • b) Bei laufenden Versorgungsleistungen errechnet sich die Beitragsbemessungsgrundlage als ein Fünftel des nach Anlage 1 Spalte 2 zu § 4d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechneten Deckungskapitals.

Als jährliche Versorgungsleistung gelten im Fall von Kapitalleistungen beziehungsweise Auszahlungsplänen jeweils 10 Prozent der Kapitalhöhe beziehungsweise der Ratensumme.
 
Die Beitragspflicht beginnt für die Arbeitgeber im Jahr 2021. Der Beitrag beläuft sich in diesem Jahr auf 3 Promille der genannten Beitragsbemessungsgrundlage. Ab dem Jahr 2022 gilt dann, wie in allen bAV-Durchführungswegen, der reguläre Beitragssatz gemäß § 10 BetrAVG. Für die Jahre 2022 bis 2025 wird darüber hinaus ein zusätzlicher Beitragssatz von 1,5 Promille zur Nachfinanzierung des Ausgleichsfonds des PSVaG gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG erhoben. Anmerkung: Der reguläre PSVaG-Beitragssatz lag im Jahr 2019 bei 3,1 Promille. Infolge der im Zuge der Corona-Pandemie zu erwartenden Zunahmen an Insolvenzen ist für 2020 mit einem deutlich höheren Wert zu rechnen.

Änderungen an der PSVaG-Beitragsbemessung bei Pensionsfonds
Im Zuge der Einführung einer gesetzlichen Insolvenzsicherung für Pensionskassen-Zusagen hat sich der Gesetzgeber entschlossen, auch die Beitragsbemessung für die Insolvenzsicherung bei Pensionsfonds neu zu regeln. Für Pensionsfonds entsprach die Beitragsbemessungsgrundlage für die gesetzliche Insolvenzsicherung bislang einem Fünftel des nach § 6a EStG berechneten Teilwerts der Pensionsverpflichtung. Sie stimmte also im Wesentlichen mit der Pensionsrückstellung überein, die ein Arbeitgeber bei Wahl der Direktzusage als Durchführungsweg in der Steuerbilanz zu bilden hätte. Durch die gesetzliche Neuregelung wird diese Methode zur Bestimmung der Beitragsbemessungsgrundlage durch die künftig bei Pensionskassen geltenden Regelungen (siehe oben) ersetzt. 

Arbeitgeber, die ihre bAV über einen Pensionsfonds durchführen, können in den Beitragsjahren 2020, 2021 und 2022 wählen, nach welcher der beiden Methoden sie die Berechnung der PSVaG-Beitragsbemessungsgrundlage vornehmen. Insofern ist es von Interesse, welche der beiden Methoden zu einem geringeren Ergebnis und damit zu einem niedrigen PSVaG-Beitrag führt. Hier dürfte es sicherlich auf die individuellen Verhältnisse bei dem jeweiligen Arbeitgeber hinsichtlich der Zusammensetzung des Bestands aus Anwärtern und Rentnern ankommen. Daher sind in diesem Zusammenhang im Zweifel versicherungsmathematische Vergleichsberechnungen empfehlenswert. 

Bei reinen Rentnerbeständen führt die neue Berechnungsmethode nach Untersuchungen der Longial im Durchschnitt zu einer Beitragsentlastung von circa. 10 Prozent. Bei reinen Anwärterbeständen ist nach der neuen Berechnungsmethode dagegen mit einer spürbaren Erhöhung des PSVaG-Beitrags im Umfang von circa 20 Prozent zu rechnen. Dies gilt aber nur für typisch verteilte Bestände. Sind Anwärterbestände fast ausschließlich rentennah, können sich auch dort sehr deutliche Beitragsentlastungen ergeben. Bei Anwärterbeständen aus ausschließlich jungen Personen ist dagegen mit einer extremen Erhöhung des PSVaG-Beitrages zu rechnen. Daher kann die Frage, welche Effekte sich in einem konkreten Mischbestand durchsetzen, nicht pauschal beantwortet werden. Nach Schätzungen der Longial ist bei typisch verteilten Mischbeständen im Ergebnis von einer leichten Erhöhung des PSVaG-Beitrags – etwa in einem Umfang von 5 Prozent – auszugehen.

Wer zahlt den Beitrag an den PSVaG?
Nach der bisherigen Fassung des BetrAVG war allein der zusagende Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Beitrag für die gesetzliche Insolvenzsicherung an den PSVaG zu entrichten. Nach Änderung des BetrAVG besteht in diesem Punkt mehr Gestaltungsspielraum: Jetzt kann nach Ergänzung von § 10 Abs. 1 BetrAVG auch der Versorgungsträger die Beiträge für den Arbeitgeber übernehmen. Als Versorgungsträger im Sinne dieser Regelung gelten nach Auffassung der Longial im Übrigen nicht nur Pensionskassen und Pensionsfonds, sondern auch Unterstützungskassen und selbst Lebensversicherer, die Direktversicherungen für einen Arbeitgeber führen.

Und schließlich: Ein Detail für den Fall der Liquidation des Arbeitgebers
Wird die Betriebstätigkeit eingestellt und eine Firma liquidiert, kann nach den bisherigen Bestimmungen des § 4 BetrAVG eine Zusage auf bAV-Leistungen von einer Pensionskasse oder einem Unternehmen der Lebensversicherung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers oder Versorgungsempfängers übernommen werden. Voraussetzung: Es ist sichergestellt, dass die Überschussanteile ab Rentenbeginn zur Erhöhung der Versicherungsleistungen verwendet werden. 

Nach der gesetzlichen Neuregelung muss bei einer Pensionskassenversorgung, die der PSVaG-Sicherungspflicht unterliegt, ein zusätzliches Kriterium erfüllt werden: Demnach muss sichergestellt sein, dass im Zeitpunkt der Übernahme der in der Deckungsrückstellungsverordnung festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird. Dieser beläuft sich derzeit auf 0,9 Prozent jährlich.

Änderungen an der versicherungsvertraglichen Lösung
Schied ein Arbeitnehmer vorzeitig mit unverfallbaren Anwartschaften auf bAV-Leistungen aus, so konnte der Arbeitgeber bislang im Fall der Versorgung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse das sogenannte versicherungsvertragliche Verfahren alternativ zum ratierlichen, zeitanteiligen Berechnungsverfahren wählen. Mit der versicherungsvertraglichen Lösung hatte der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Ansprüche des Arbeitnehmers auf die von dem Lebensversicherer beziehungsweise der Pensionskasse zu erbringende Versicherungsleistung zu beschränken. Die praktische Umsetzung dieses Verfahrens wurde allerdings dadurch erschwert, dass der Arbeitgeber die versicherungsvertragliche Lösung gegenüber jedem Arbeitnehmer und gegenüber dem Versicherer jeweils in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers erklären musste. So jedenfalls hatte es das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 19.5.2016 (3 AZR 794/14) gesehen. 

Hier ist es jetzt ebenfalls zu einer gesetzlichen Änderung gekommen. Durch eine Anpassung des § 2 BetrAVG ist die versicherungsvertragliche Lösung nunmehr auch ohne eine ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers für die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft auf einer Pensionskassen- beziehungsweise Direktversicherungs-Versorgung maßgeblich. Die versicherungsvertragliche Lösung ist vielmehr der Standardfall, der nicht eigens erklärt werden muss. Dabei ist/bleibt allerdings Voraussetzung, dass alle weiteren Voraussetzungen vorliegen, welche das BetrAVG unverändert für die Anwendung der versicherungsvertraglichen Lösung fordert. So dürfen unter anderem Überschussanteile ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistungen verwendet werden.

Die Neuregelung gilt ohne Übergangsvorschriften sofort. Sie soll laut Gesetzesbegründung also auch für bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgeschiedene Arbeitnehmer gelten. 

Fazit  

Die Änderungen am BetrAVG sind umfassend. Im Hinblick auf die gesetzliche Insolvenzsicherung von Pensionskassen waren sie letztendlich unvermeidlich, auch wenn sie bei den zusagenden Arbeitgebern naturgemäß mehr Aufwand verursachen werden. Ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, für die PSVaG-Beitragsbemessung eine adäquate Rechenmethode zu finden, bleibt abzuwarten. Immerhin ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gesetzlich verpflichtet, die Angemessenheit der PSVaG-Beiträge bei Pensionskassen im Jahr 2026 (!) nochmals zu untersuchen. Auch ob die Änderung an der Rechenmethode des PSVaG-Beitrags bei Pensionsfonds erforderlich war, bleibt dahingestellt. Uneingeschränkt zu begrüßen ist hingegen die Vereinfachung der versicherungsvertraglichen Lösung bei Pensionskassen und Direktversicherungen. Hier wird ein Rechtsverständnis wiederhergestellt, wie es vor dem BAG-Urteil bereits bestand.

Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern, Longial