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Dubiose Quellen Wie die russische Geldwaschmaschine funktioniert

Milliarden Euro Schwarzgeld aus Russland werden jährlich in Deutschland gewaschen. Jetzt haben Ermittler erstmals im großen Stil zugeschlagen - mit Erfolg.
Bankenskyline von Frankfurt am Main

Bankenskyline von Frankfurt am Main

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa

Um ihren bisher größten Erfolg im Kampf gegen die Geldwäsche zu besiegeln, mussten Achim von Engel und Peter Sohn noch nicht einmal den Schreibtisch verlassen. Von ihren Büros in der Münchner Maxvorstadt aus griffen die beiden Staatsanwälte in den vergangenen Tagen auf Vermögenswerte im Wert von rund 50 Millionen Euro zu. Sie ließen Grundbucheinträge ändern, wiesen Kontosperrungen in Deutschland und Lettland an und beschlagnahmten so Bargeld sowie Gewerbeimmobilien in Schwalbach am Taunus, in Nürnberg, in Regensburg und im beschaulichen Muhldorf am Inn.

Die Immobilien sollen mit Schwarzgeld erworben worden sein, das auf verschlungenen Wegen aus Russland seinen Weg bis in die bayerische Provinz fand. In einigen Fällen hatten die mutmaßlichen Täter die Grundstücke und Gebäude schon verkauft, den Erlös konnten die Ermittler auf den gesperrten Konten einfrieren.

Es ist ein kleiner Erfolg in einem schier aussichtlos erscheinenden Kampf.

Milliarden Euro Schwarzgeld aus dubiosen russischen Quellen werden jedes Jahr in Deutschland gewaschen. Das Geld fließt in Immobilien, Investitionsgüter wie Maschinen und Luxusgegenstände, sogar in Sanitärartikel. Das inkriminierte Vermögen ist ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor, selbst Banken verdienen daran. Über mehrere Institute, darunter auch deutsche, sollen in den vergangenen Jahren rund 50 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Russland in die EU geflossen und in den legalen Wirtschaftskreislauf eingespeist worden sein.

Waschmaschine zufällig entdeckt

Ein großer Teil davon durchlief ein besonders ausgeklügeltes System, das mittlerweile als "Russian Laundromat", russische Waschmaschine bekannt ist. 22 Milliarden Dollar sollen zwischen 2011 und 2014 auf diesem Wege gewaschen worden sein.

Oberstaatsanwalt Achim von Engel und seine Kollegen vom Bundeskriminalamt (BKA) stießen eher zufällig auf die Waschmaschine. 2015 begannen sie Ermittlungen gegen einen Geschäftsmann mit Wohnsitz im noblen Münchner Vorort Grünwald. Die Zollfahndung Berlin-Brandenburg hatte einen Zigarettenschmuggel von Italien nach Deutschland aufgedeckt, bei dem nicht nur ein erheblicher Steuerschaden entstand, sondern auch mehr als zehn Millionen Euro für die Finanzierung der illegalen Deals im Spiel waren.

Bilder von Überwachungskameras zeigten, wie die Gangster Berge von Bargeld auf Tische ihres Berliner Unterschlupfs häuften. Kuriere transportierten das Geld kofferweise zwischen Berlin, Turin und Riga. Der Grünwalder soll damals das Zigaretten-Geld gewaschen haben. Das Bundeskriminalamt, das die Ermittlungen der Finanzströme übernommen hatte, glaubte, einen einfachen Fall vor sich zu haben.

Das war ein Irrtum.

Die Finanzermittler des BKA hatten lediglich einen losen Faden an der Hand, und je mehr sie daran zogen, desto tiefer gerieten sie in das komplexe System illegaler Kapitalabflüsse aus Russland. Als das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), ein von den USA mitfinanziertes investigatives Journalistennetzwerk, 2017 den "Russian Laundromat" aufdeckte, begannen die Ermittler in dem Zigarettenfall Namen und Informationen abzugleichen - und stellten schließlich fest, dass ihnen gewissermaßen eine schmutzige Socke aus dieser Waschmaschine in die Hände gefallen war. "Das als Russian Laundromat bezeichnete Geldwäschesystem war äußerst raffiniert aufgebaut, über ein komplexes System von Briefkastenfirmen und Schattenkonten wurde fast jede Geldspur verwischt", sagt Staatsanwalt Sohn.

Wie die Maschinerie lief

Das System funktionierte - vereinfacht dargestellt - folgendermaßen:

Russische Geschäftsleute nutzten Briefkastenfirmen mit Sitz in Europa, vornehmlich in Großbritannien und den britischen Kanalinseln, aber auch in Zypern, Malta, Hongkong und Übersee. Diese Firmen vergaben untereinander Scheinkredite, für die jeweils weitgehend mittellose moldauische Staatsangehörige sowie eine russische Firma bürgten.

Es gehörte zum Plan, dass die Briefkastenfirmen die Kredite nicht bedienten. Die Zahlungsrückstände wurden dann in Moldau von Gerichten festgestellt und deren Vollstreckung von Gerichtsvollziehern umgesetzt. Die Bürgen, also die russischen Firmen, mussten nun zahlen - sie taten es mit Schwarzgeld, was von Anfang an das Ziel war. Nach außen sah alles legal aus. Auf diese Weise konnte das Geld außer Landes geschafft werden, ohne dass die Behörden in Russland misstrauisch wurden.

Zu den mutmaßlichen Geldwäschern gehören angeblich die Chefs bedeutender russischer Unternehmen, IT-Firmen, der Eisenbahn und der Kohleförderung. Ihnen gemein ist, dass sie alle von Staatsaufträgen in erheblichem Umfang profitieren, was angeblich ein undurchsichtiges Netz von Schmiergeldern und überzogenen Preisen ermöglichte. Russische Behörden haben in den vergangenen Jahren mehr als 40 Banken geschlossen, die daran beteiligt gewesen sein sollen. Der massive Kapitalabfluss ist für Präsident Wladimir Putin ein Problem.

Von Moldau aus floss das Geld an die Trasta Komercbanka im lettischen Riga, sie war das Nadelöhr in die Europäische Union. 22 Milliarden Dollar kamen aus der kleinen Republik Moldau zwischen Rumänien und der Ukraine, die Wirtschaftsleistung von Moldau ist noch nicht einmal halb so groß.

Ein Teil des Geldes floss in Luxus

Bei der Trasta Komercbanka in Lettland hatten Mitglieder der Geldwäschebande ein Schattenbanksystem eingerichtet, das Hunderte von Konten umfasste und in dem sich die Spur des Geldes weiter verlor. Schließlich verließ es die Bank wieder und wurde in Firmen, Immobilien und andere Vermögensgegenstände investiert.

Für diese illegale Dienstleitung nahmen die Mitarbeiter der Trasta Komercbanka Gebühren von vier bis acht Prozent. Das waren manchmal eine halbe Million Dollar pro Tag. Insgesamt dürften die Geldwäscher von ihren Auftraggebern mehr als eine Milliarde Dollar an Gebühren kassiert haben, davon mussten sie allerdings auch ihre Ausgaben bestreiten.

Allein bei der Gruppe, mit der es die Münchner Ermittler zu tun haben, sollen rund 100 Millionen Dollar hängengeblieben sein - nach vorläufiger Erkenntnis. Das Geld, dass die Trasta-Banker einnahmen, musste nun seinerseits in Umlauf gebracht und gewaschen werden.

  • Ein Teil ging drauf für einen ausschweifenden Lebensstil der Banker, dazu gehörten Luxuswagen wie ein Bentley, teure Weine und Kokain.
  • Ein weiterer Teil diente der Finanzierung anderer krimineller Geschäfte, wie den Zigarettenschmuggel aus Italien nach Berlin.

Und damit kam wieder der Grünwalder Geschäftsmann ins Spiel. Er hatte zusätzlich die Aufgabe, die illegalen Gewinne aus Lettland in Immobilien in Deutschland anzulegen.

Nach Erkenntnissen der Ermittler gründete er mehrere Gesellschaften, die Gewerbeimmobilien kauften, vornehmlich in Bayern. Das Geld aus Lettland diente als Eigenkapital, um die Finanzierung durch eine Bank zu ermöglichen. Das sah nach einem seriösen Geschäftsmodell aus. Dank solventer Mieter von Baumarkt- und Drogerieketten waren die Renditen gut genug, die Kredite schnell zu tilgen.

Als die russische Waschmaschine erstmals aufflog und Ermittlungen 2017 dazu führten, dass die Trasta Komercbanka geschlossen und der lettische Banker festgenommen wurde, bekam auch der Grünwalder Immobilienentwickler Besuch von der Polizei. Doch die Beweise reichten noch nicht für einen Haftbefehl, er blieb auf freiem Fuß. Es gelang ihm, zwei der Immobilienkomplexe zu verkaufen. Die Maßnahmen der Ermittler in dieser Woche dienten dazu, die Verkaufserlöse aufzuspüren und sicherzustellen.

Zahlreiche Zahlungen an Unternehmen in Europa

Angesichts der gigantischen Summen, auf die das BKA im Zuge der Ermittlungen der russischen Geldwaschmaschine stieß, ist der findige Geschäftsmann aus Grünwald nur ein kleines Rädchen im Getriebe.

Mit Hilfe des OCCRP wurden zahlreiche Zahlungen von russischem Schwarzgeld in Europa enttarnt, sogar die Ausbildung russischer Sprösslinge in britischen Internaten. Die "Süddeutsche Zeitung" identifizierte 662 solcher Zahlungen, unter anderem an Skimodehersteller Bogner, den Elektronikkonzern Rohde & Schwarz und den Chemieriesen BASF - Rechnungen, die zum Teil höher als eine Million Euro waren.

Angesichts der jüngsten Erkenntnisse des BKA nimmt sich indes selbst das wie Peanuts aus. So stießen die Bundesermittler auf einen Hersteller von Sanitärartikeln, der über sechs Jahre 14.000 Einzelbestellungen in einem Gesamtvolumen von mehr als vier Milliarden Euro erhalten haben soll, die offenbar nach Russland geliefert und zum Teil von Briefkastenfirmen bezahlt wurden.

Deutsche Banken waren an der russischen Geldwäschemaschine offenbar nicht unmaßgeblich beteiligt, vor allem als so genannte Korrespondenzbanken . Sie leiten Überweisungen von Instituten aus dem Ausland weiter. Im Falle der russischen Waschmaschine waren Korrespondenzbanken vor allem dafür zuständig, das Geld aus Moldau an die Trasta Kommercbanka zu schleusen. Die Gebühren für solche Dienste sind niedrig, läppern sich aber zusammen, weil es oft um enorme Beträge geht. Allein eine deutsche Bank soll in den vergangenen Jahren als Korrespondenzbank einen zweistelligen Milliarden-Dollar-Betrag mutmaßlichen russischen Schwarzgeldes weitergeleitet haben. Ermittelt wird gegen deutsche Kreditinstitute im Zusammenhang mit dem "Russian Laundromat" nicht.

Die Maschine dürfte weiterlaufen

Für die Beamten in München und Wiesbaden ist der Kampf gegen die Geldwäscher längst nicht zu Ende. Allein die Ermittlungen rund um den Grünwalder Geschäftsmann dürften sich noch Monate hinziehen. Mit den Behörden in Lettland arbeiten BKA und Staatsanwaltschaft eng zusammen, sie wollen weitere Rechtshilfeersuchen stellen, um die Spur des Geldes offenzulegen. "Alle Gewinne aus diesem System, die man in Deutschland dingfest machen kann, haben wir sichergestellt. Das ist ein starkes Signal, dass wir hier mit aller Härte gegen Geldwäsche vorgehen", sagt Oberstaatsanwalt Engel.

Aber der Ermittler macht sich keine Illusionen: "Wir gehen davon aus, dass die russische Waschmaschine weiterläuft, wenn auch über andere Kanäle." Man sehe, "dass Geldwäsche in Deutschland ein Problem ist, gerade im Immobilienmarkt". Um einen Verdacht zu erhärten und ein Verfahren einleiten zu können, sei es wichtig, mit den entsprechenden personellen und zeitlichen Mitteln ausgestattet zu sein.

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